Es gibt manche Orte, die sind die ewigen Underdogs. So wie im Fußball Schalke 04 auch der ewige Unterdog ist, gibt es auch im Tourismus Orte, von denen viele behaupten, dass sie sich noch entwickeln würden und gerade auf dem Sprungbrett stehen. Genau so ein Land ist Albanien. Kaum jemand weiß etwas über diesen Balkan-Staat. Viele Menschen wissen noch nicht einmal, dass Albanien auf dem Balkan liegt. Das einzige, was sie wissen, ist dass von hier die Albaner kommen, die in Deutschland pauschal mit Bandenkriminalität gleichgesetzt werden. Dabei ist Albanien auf meiner Balkanreise 2008 die größte Überraschung gewesen. Die Landschaft atemberaubend, die Menschen freundlich, die Küste malerisch, die Städte aufregend. Und kriminelle Banden sind mir dort auch nicht begegnet. Deswegen bin ich euch eigentlich schon seit einigen Jahren diesen Reisebericht schuldig. Also Sessel zurückstellen und Film ab für Albanien!
Korca – Kathedrale und osmanische Bauten
Als ich 2008 erstmals die Grenze von Mazedonien nach Albanien übertrete, gibt es nicht einmal einen Bus vom Orchidsee nach Korca. Ich trampe soweit es eben geht und muss die letzten 7 Kilometer mit 300 Meter Höhenunterschied mit 18 Kilo Gepäck zu Fuß gehen. Zum Glück war ich zu dieser Zeit noch etwas fitter. Nach zwei Stunden komme ich am Grenzposten an. Ich bekomme den Stempel. Hinter der Grenze steht ein klappriges Taxi, das ich mit US-Dollar bezahlen kann. Zum Glück ist noch eine Gruppe Tschechen dort, mit denen ich mir die Fahrt teile.
Korca selbst wirkt auf den ersten Blick wie ein Township in Afrika. Überall stehen Autowracks herum, die Häuser fallen fast auseinander. Nach ein paar Meter wird die Stadt aber freundlicher. Es gibt plötzlich asphaltierte Straßen und eine riesige Kathedrale tut sich neben der Straße auf. Sie sieht aus, als ob sie neu gebaut ist. Tatsächlich wurde sie erst 13 Jahre zuvor an der Stelle errichtet, an der die kommunistische Regierung Albaniens in den Sechziger Jahren die Georgskirche abreißen ließen. Auch bei einem Spaziergang durch Korca sieht man von einem Hügel die vielen osmanischen Bauten im byzantinischem Stil. Einige Häuser verfallen aber viele werden auch bereits saniert.
Albanien-Rundreise – Busfahren durch die Berge
Ein Platz in den vorderen Reihen ist zu empfehlen, insofern man denn überhaupt eine Wahl hat. Denn in Albanien fahren Vögel und andere Haustiere auch gern mal im Fahrgastraum mit. Die Gänge werden mit Koffern und Taschen vollgestellt. Wenn die Sitzplätze nicht mehr reichen, nehmen manche Fahrgäste auf Hockern im Gang Platz. Doch wer erst einmal die schöne Berglandschaft des Ceraunischen Gebirges oder der anderen Berge in der Landesmitte sieht, der wird für die strapaziöse Fahrt entschädigt. Die steilen Berghänge werden durchzogen von Flusstälern mit strahlend blauem Wasser und den Serpentinen der Bergstraßen. Besonders schön: Die Strecke von Korca nach Girokastra. Man möchte am liebsten aussteigen und den Rest der Strecke mit dem Schlauchboot zurücklegen.
Girokastra – Unesco-Weltkulturerbe und einmal in einem Kampfjet sitzen
Zwischen den osmanischen Häusern, entlang der Gassen des kleinen Bergstädtchens, spürt man die Seele Albaniens. Girokastra ist nicht nur eine der schönsten Städte des Landes, sie ist auch eine der bedeutendsten. Sie ist die Heimatstadt des sozialistischen Diktators Enver Hoxha, der selbst mit den Sowjets irgendwann nicht mehr wollte und sich und sein Land komplett von der Außenwelt abschottete. Zeugnis dieser irren Geschichte sind die kleinen Bunker, die zu zehntausenden überall im Land gebaut wurden und in denen wohl schon einige Kinder gezeugt wurden, wenn man den Legenden glaubt. Ich glaube das eher weniger, da sich mir der Charme dieser nach Urin stinkenden und von Müll gefüllten Erdlöcher aus Beton noch nicht erschlossen hat.
Auch auf der Festung der alten Stadt Girokastra thront der Sieg des Sozialismus, der ja bekanntlich nur bis 1990 siegte. Oben auf den Mauern steht das Wrack einer alten US-amerikanischen Militärmaschine, die die Albaner Ende der fünfziger Jahre zur Landung gezwungen haben sollen. Heute verrottet das Wrack und zeugt vom verblassten Stolz des Kommunismus. In den Gängen der Festung steht hingegen noch allerlei Militärgerät in einem Militär-Museum. Lohnenswerter ist der Blick über Girokastra und das erkunden der alten osmanischen Festung.
Albaniens Küste – Saranda
Bei Mittelmeer da denkt man an Spanien, Italien, Griechenland, vielleicht auch noch an Italien. Das aber auch Albanien einige der schönsten Strände am Mittelmeer hat, das wissen die wenigsten. Dabei ist die Hafenstadt Saranda nur einen Steinwurf von den Stränden Korfus entfernt. Das Angebot zur Zeit meines Besuchs war noch beschaulich. Auch die Wasserqualität war nicht die beste. Die Abwässer der Stadt flossen ungeklärt ins Meer. Heute gibt es aber bereits eine Kläranlage und die Bucht soll mittlerweile sehr sauber sein. Immer mehr Restaurants öffnen. Saranda will bald einen eigenen Flughafen bauen, um als neue und alternative Mittelmeer-Destination zu wachsen.
An den Stränden im äußersten Süden des Landes an der Grenze zu Griechenland sind selten überhaupt Menschen unterwegs. In Dhermi und Gjipe sind nur wenige Menschen am Strand. Mehr zu den Stränden im Süden von Albanien findest Du bei Sonja von delighful Spots.
Tirana – Die bunte Hauptstadt von Albanien
Es gibt Städte die müssen sich nicht anstrengen um schön zu sein. Vilnius, meine alte Heimat beispielsweise, ist immer eine Reise wert. Und dann gibt es andere Städte, die lassen sich eben etwas einfallen, um schön zu sein. Das muss auch nicht unbedingt teuer sein. Manchmal reichen ein paar Eimer Farbe, um eine ganze Stadt wie neu erscheinen zu lassen. Das muss sich zumindest der frühere Bürgermeister von Tirana gedacht haben, als er das Verschönerungsprogramm für seine Stadt in Auftrag gegeben hat. Er ließ die tristen grauen Wohnblöcke aus kommunistischer Zeit bunt anstreichen und siehe da: Es sieht viel netter aus. Auch der zentrale Skanderbeg-Platz wurde aufgehübscht und saniert. Die sozialistischen Mosaike, das Skanderbeg-Monument und die alten Gebäude erstrahlen in neuem Glanz. Zudem gibt es in Tirana mittlerweile ein pulsierendes Nachtleben mit schicken Bars und Clubs. Die Parks sind sauber und laden zum Verweilen ein. Da können viele Städte auf dem Balkan noch von lernen! Tirana gehört also auf jeden Fall auf den Plan jeder Albanien-Rundreise.
Albanien-Highlight – Fährfahrt durch die Schluchten des Koman-Stausee
Auf dem Weg ins benachbarte Montenegro will ich aber noch den echten Geheimtipp sehen. Der Koman-Stausee steht 2008 noch nicht einmal im Lonely Planet. Den Tipp zum Stausee bekomme ich von einem Couchsurfer in Tirana, der in der Nähe Verwandte hat. Eine Albanien Rundreise kann hier allerdings nur enden, denn von diesem Ende Albaniens kommt man lediglich in den Kosovo, aber nicht in andere Teile des Landes. Wir fahren deshalb wieder zurück zum Ausgangspunkt. Aber die Fahrt mit der Fähre durch das Tal des Drin, der hier künstlich aufgestaut wurde, ist jede Minute wert. Hier gibt es übrigens einen eigenen Beitrag über die Fähre über den Koman-Stausee.
Albanien Rundreise Reisetipps
Flug nach Albanien
Wenn ihr eure Reise selbst organisiert, dann gibt es derzeit am ehesten Direktflüge mit Eurowings ab Stuttgart nach Tirana. Hin- und Rückflug habe ich dort für um die 150 Euro gefunden.
Zudem fliegt Lufthansa direkt ab Frankfurt und Austrian Airlines nach Wien.
Transport in Albanien
Bustickets für Albanien gibt es immer direkt im Bus. Man muss einfach rechtzeitig da sein. Ob es ein Online-Buchungssystem gibt, weiß ich nicht aber wie gesagt, Tickets gibt es eigentlich immer.
Zudem muss man für manche Fahrten Minibusse und Taxis nutzen. Hier kann man oft auch über den Preis verhandeln.
Links zu Reisen in Albanien
Ich bin nicht der einzige, der Albanien bereist hat. Auch andere Blogger waren schon dort.
- Steffi von A World Kaleidoscope hat über das Reisen auf dem Balkan geschrieben.
- Sonja von delightful Spots hat einige tolle Orte in Albanien entdeckt, die ich auch noch nicht kannte.
- Kürzlich lief eine Weltspiegel-Reportage zu Albanien im Ersten.
Am kommenden Montag schreibe ich dann noch etwas mehr zu meinem wilden Ausflug über den Koman-Stausee im Norden Albaniens. Also dranbleiben!
Würdet Ihr gerne einmal nach Albanien fahren? Bitte hinterlasst einen Kommentar!
Hallo Peter,
danke für den schönen Artikel. Ich wusste bisher tatsächlich nur sehr wenig über Albanien. Eines der Länder, das einfach nicht wirklich auf dem „Reiseradar“ auftaucht. Wie Deine Bilder und Worte zeigen zu Unrecht. Da muss ich unbedingt noch ein bißchen weiterlesen – die passenden Links hast Du ja gleich mitgeliefert 🙂
Viele Grüße
Katharina
Hallo Katharina,
ja, es ist wirklich komplett unterschätzt. Es ist allerdings auch nicht so einfach zu bereisen wie Frankreich, Italien oder Schweden. Trotzdem kann man das alles managen und wird dafür mit vielen tollen Landschaften und netten Bekanntschaften belohnt. Insofern also unbedingt weiterlesen!
Liebe Grüße,
Peter
Hallo Peter
Ein sehr umfassender Artikel – der uns übrigens gut für die Routenplanung hilft. Wir wollen alle Länder Europas mit dem Camper bereisen und sitzen aktuell in Sarajevo. Nach Montenegro kommt schon bald Albanien. Wir freuen uns auf das Land, von dem so viel unterschiedliches zu hören ist.
Herzliche Grüsse aus dem Schnee
Steffi